Die letzte Charge in diesem verlassenen Eisenwerk wurde 2018 produziert. Seitdem ist das Eisen kalt und der Ort sich selbst überlassen. Dieser Lost Place in NRW ist etwas ganz besonderes, denn er ist nahezu unberührt. Man kann noch relativ gut erkennen, wie hier einmal gearbeitet und gelebt worden ist.
Das verlassene Eisenwerk
Die Halle, in der wir uns nun finden, scheint gar kein Ende nehmen zu wollen. Kommt man zu einer Wand, findet man irgendwo eine Treppe, über die man direkt auf eine höhergelegene Etage gelangt. Hier setzt sich die endlose Halle dann einfach fort. Man findet auch hier wieder überall verschiedene Gussformen. Die Keller, kleinere Räumen an den Seiten der Hallen, alles ist voll mit Gussformen. Irgendwann erreichen wir den Bereich, indem das Eisen gegossen wurde. Verschiedene Öfen und Gießmaschinenen stehen noch genau dort, wo sie auch am letzten Arbeitstag gestanden haben müssen.
Mit der Taschenlampe in der Hand geht es nun in die kleinen angrenzenden Räume. Hier scheint so wenig Licht von draußen herein, dass man ohne sie aufgeschmissen wäre. Ich stehe in einem ehemaligen Sanitätsraum. Große grüne Schränke und allerhand Verbandsmaterial liegt herum. Auf den Schreibtischen stehen noch die Kaffeetassen der Angestellten. Es wirkt fast so, als hätte niemand gewusst, dass es sich um den letzten Arbeitstag handelte. Die anderen Räume wurden als Lager, oder Pausenräume genutzt. Zumindest dachte ich das, bis ich auf einmal in einer Art Labor stehe.
Hier findet man verschiedene Chemikalien, einige davon sind quer über den Boden verteilt. So richtig wohl ist mir nicht dabei, vorsichtig darüberzusteigen. Ich weiß schließlich nicht genau, welche Substanzen hier herumliegen. An den Wänden sind Abzugshauben befestigt, wie man sie noch aus dem Chemieunterricht kennt. Auf den Tischen liegen Broschüren über Produkte und Wissenschaftsmagazine. Es ist wahnsinnig interessant sich hier umzusehen, aber wir haben leider nicht unendlich viel Zeit. Nicht nur auf den Uhren an der Wand ist die Zeit stehengeblieben.
Irgendwann sind wir mit den großen Produktionshallen durch. Ich kann diese ganzen Eindrücke gar nicht in Worte fassen. Es war einfach viel zu viel. Hier könnte ich auch noch ein zweites und drittes Mal vorbeischauen und würde bei jedem Besuch neue Dinge entdecken können. Da uns die Zeit etwas im Nacken sitzt, begeben wir uns nun nach draußen. Mittlerweile sind wir aber auch froh, mal wieder frische Luft einatmen zu können. Ich habe leichte Kopfschmerzen und ein seltsames Gefühl im Mund. Was auch immer da in der Halle herumfliegt, sonderlich gesund es es vermutlich nicht.
Wir stehen in einem anderen Innenhof und müssen uns erst einmal orientieren. Hier sind wieder neue Gebäude zu sehen. Wir laufen hinein und stellen fest, dass hier vermutlich die Gussformen entwickelt worden sind. Es sind Holzwerkstätten mit kleinen angrenzenden Pausenräumen und einem Büro. Hier wurde ebenfalls nichts weggeräumt. Ein bisschen Verwüstung ist normal, aber es ist erstaunlich wenig. Weniger überraschend ist, dass auch hier wieder jede Menge Gussformen gelagert werden. Ich möchte zurück an die frische Luft. Lost Places zu entdecken ist anstrengend. Oftmals ist es modrig und das atmen fällt irgendwann schwerer. Noch dazu ist es nun auch sommerlich warm geworden. Ich stehe auf dem Innenhof und schaue mich um.
Auf einmal kommt ein fremder Mann um die Ecke. Er trägt eine dunkle Stoffhose und ein blaues Hemd mit Krawatte. Was das bedeutet ist klar – Wir wurden gerade erwischt. Er ist ungefähr drei Köpfe kleiner als ich und kommt auf uns zugelaufen. Er begrüßt uns überraschend freundlich und fragt, was wir hier machen würden. Wir erzählen ihm, dass wir fotografieren würden, um die alte Industriekultur zu dokumentieren. Der ältere Mann der Security Firma hört uns in Ruhe zu und sagt, dass wir dafür eine Genehmigung bräuchten. Wir bieten ihm an, das Gelände nun zu verlassen und bedanken uns bei ihm für sein Verständnis. Glück gehabt. Nach über 2 1/2 Stunden haben wir unzählige Fotos und Eindrücke gesammelt. Es ist also nur ein bisschen Schade, dass diese Lost Places Tour schon wieder durch einen Sicherheitsdienst beendet wurde.
Der Podcast zum verlassenen Eisenwerk
Die Geschichte des verlassenen Eisenwerks
Das verlassene Eisenwerk war eine Stahl- und Edelstahlformgießerei, die überwiegend mit unlegierten, niedriglegierten und hochlegierten Werkstoffen gearbeitet hat. Gegründet wurde das Unternehmen im Jahr 1911 und blickte damit auf eine 109-jährige Geschichte zurück. Das Eisenwerk bzw. die Gießerei stellte Stahlgußformen her, die nationale und internationale Kunden belieferte. Diese Formen wurden unter anderem auf hoher See, in Kraftwerken und in der Erdölförderung eingesetzt.
Viel mehr lässt sich aktuell über die Geschichte des verlassenen Eisenwerks nicht herausfinden. Fest steht, dass das Unternehmen ab dem Jahr 2016 immer wieder in finanzielle Schieflage geriet, mehrmals umfirmierte und schließlich im Jahr 2018 endgültig liquidiert worden ist. Seitdem ist die alte Gießerei ein weiterer wunderschöner Lost Place in NRW.
Komm mit auf einen Rundgang durch das verlassene Eisenwerk.
Jetzt bist du gefragt!
Bist du auf der Suche nach verlassenen Orten in NRW, Brandenburg, Berlin, Niedersachsen, oder Rheinland-Pfalz? Dann bist du hier genau richtig.
Kennst du schon meinen neuen Bildband?
120 brillante Aufnahmen, die eindrucksvoll den Verfall längst verlassener Gebäude, Werkshallen und Fabriken zeigen, nehmen dich mit auf eine Reise in eine längst vergessene Zeit. Die stillen Zeugen der Vergangenheit versprühen einen morbiden Charme, dem sich der Betrachter nicht entziehen kann. Mit viel Liebe zum Detail und einer ganz eigenen Bildsprache erkundest du verborgene Welten, die einst Lebensmittelpunkt Tausender Menschen waren. Du kannst von Lost Places gar nicht genug bekommen? Dann ist dieser Bildband genau das richtige für dich: Hier klicken!
Warst du schon mal bei diesen Lost Places?
Heilstätte Grabowsee
VEB Chemiewerk Coswig – Betriebsteil Rüdersorf
VEB Kraftfuttermischwerk Fürstenberg
Keine Kommentare