Die Villa Sohl ist ein bekannter Lost Place in NRW und das sieht man leider auf den ersten Blick. Die von Hans-Günther Sohl 1960 erbaute prachtvolle Villa ist mittlerweile stark heruntergekommen und es ist nur eine Frage der Zeit, bis sie gänzlich verschwinden wird.
Villa Sohl
Ich bin an meinem Ziel angekommen. Irgendwo hier muss sie sein, die alte verlassene Millionen Villa von Hans-Günther Sohl. Doch im Moment sehe ich nur Bäume und viele dichte Büsche. Ein kleiner Trampelpfad führt durch das Dickicht hindurch. Ich denke, dass ich diesem erstmal folgen werden muss. Vielleicht führt er mich ja direkt zu der alten Villa. Es ist drückend heiß, die Sonne scheint und die Luft steht. Je weiter ich durch das Unterholz laufe, desto wärmer wird es.
Der Weg führt leider nicht nur in eine Richtung und so muss ich mehrmals umdrehen, weil ich schon wieder in eine Sackgasse gelaufen bin. Irgendwann kann ich dann aber doch endlich das graue Schieferdach der Villa Sohl zwischen den dichten Büschen erblicken. Nun stehe ich direkt vor dem einst wohl sehr imposanten Gebäude. Rechterhand versteckt sich ein kreisrunder Pool direkt vor dem Haus. Der Garten wurde offenbar schon sehr lange nicht mehr gepflegt, so dass man hier immer nur ein paar Meter weit schauen kann.
Durch eine große Öffnung, wahrscheinlich waren hier auch mal bodentiefe Fenster, gelange ich in die verlassene Villa und auch hier setzt sich der Eindruck von draußen fort. Es ist alles sehr imposant, wenn auch leider schon stark verwüstet. Überall finden sich Graffitis an den Wänden und an einigen Stellen scheint es auch bereits gebrannt zu haben. Diesen Anblick kenne ich leider nur zu gut, denn viele verlassene Orte sehen mittlerweile so aus.
Ich streife weiter durch das riesige Anwesen und gerade als ich eine große Marmortreppe ins Obergeschoss hochsteige, höre ich Stimmen. Ich weiß zwar nicht, von wo diese kommen, aber ich bin auf jeden Fall nicht mehr alleine hier. Die Stimmen verstummen wieder und als ich gerade oben angekommen bin, sehe ich die Gesichter dazu. Es sind ein paar Kinder, die hier vielleicht nach ihrem nächsten Abenteuer suchen. Sie sind nun, da sie mich gesehen haben, wieder lauter geworden. Ich versuche ihnen aus dem Weg zu gehen und in Ruhe meine Fotos zu machen.
Nach dem Obergeschoss ist nun noch der Keller dran. Hier soll sich ein Atomschutz Bunker befinden und tatsächlich: Eine massive Bunkertür weist den Weg ins Innere. Der Keller ist nicht weniger eindrucksvoll, als die anderen Stockwerke. Hier wurde wirklich an nichts gespart. Allein die Heizungsanlage nimmt mehr Platz ein, als ich in meiner ersten Wohnung für mich zu Verfügung hatte. Hier unten gibt es ein Jagdzimmer, einen weiteren großen Pool, mehrere Badezimmer und eben den Bunkerbereich. Dieser ist allerdings komplett leergeräumt.
Die Geschichte der Villa Sohl
Die Villa Sohl, auch Palazzo o Sohle mio genannt, wurde im Jahr 1960 für Hans-Günther Sohl (1907-1989) innerhalb eines Jahres gebaut. Hans-Günther Sohl war Generaldirektor der August Thyssen-Hütte AG (ATH), Vorsitzender der Wirtschaftsvereinigung Eisen- und Stahlindustrie und dazu noch Mitglied von 15 Aufsichtsräten. Seit dem Tod seiner Witwe Baroness Anneliese von Wrede im Jahr 1999 steht das Gebäude leer und ist mittlerweile stark von Vandalismus gezeichnet.
Die Villa steht auf einem 40.000-Quadratmeter-Grundstück (40.000m² sind umgerechnet übrigens knapp 5,6 Fußballfelder) und verfügte so ziemlich über jeden Luxus, den man sich zu dieser Zeit vorstellen konnte. Es gab einen großen Pool im Keller, einen im Garten, direkt vorm Haus, mehrere großzügige Schlafzimmer und sogar einen Fahrstuhl, mit dem man direkt in jede der drei Stockwerke fahren konnte. So verband der Fahrstuhl beispielsweise das Schlafzimmer direkt mit dem Swimming-Pool im Keller. Direkt nebenan, in einem anderen Kellerraum befindet sich die riesige Heizungsanlage des Hauses, die ein kleines Krankenhaus mit Wärme und Energie versorgen könnte. Die zugehörige Trafo-Station findet sich im Garten. Die Kosten dieses Baus sollen sich auf 1,5 Millionen Mark belaufen haben. Das Bauwerk wirkt sehr imposant und ist sehr verwinkelt. Überall zweigt sich ein weiterer Raum ab, dessen ursprüngliche Verwendung sich jedoch heute nicht mehr wirklich erkennen lässt.
Das Außergewöhnlichste an der Millionärs Villa ist vermutlich der Atomschutz Bunker direkt unter dem Gebäude. 1,5 Meter starke Stahlbetonwände sollten dafür sorgen, dass keinerlei Strahlung ins Innere gelangen kann. Im Bunker selbst gab es separate Räume für Vorräte und Wohnen. Heute ist der Name Hans-Günther Sohl nicht mehr sehr positiv besetzt, was an seiner bis heute eher unklaren NS-Vergangenheit liegt. Es ist also naheliegend, dass man dieses Gebäude nicht unbedingt erhalten möchte.
Es gab mehrere Pläne für die Nachnutzung des Geländes, allerdings wurde davon bis heute noch keiner umgesetzt. Im Jahr 2013 stellte der Landschaftsverband Rheinland den Denkmalwert gutachterlich fest und plante, den Park zum Naturdenkmal zu erklären. Danach passierte erstmal eine lange Zeit nichts. Nun gibt es wieder Pläne dafür, dass ein Teil des riesigen Grundstücks für die Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden und als Park erhalten bleiben soll. Es ist wahrscheinlich nur eine Frage der Zeit, bis dann die verlassene Villa abgerissen wird und dort etwas Neues entsteht.
Zur Villa Sohl gibt es noch einen interessanten Spiegel Artikel Fahrstuhl zum Bad vom 10.04.1962.
Komm mit auf einen Rundgang durch die Villa Sohl.
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10 Kommentare
Hans
16. August 2022 um 08:33Eine Dokumentation über das Anwesen von vor 6 Jahren in damals noch einigermaßem gut erhaltenen Zustand gibt es auf der Webseite von Tom van Dutch:
https://www.tomvandutch.de/villa-sohl
Gibt es hier jemand Fachkundiges ggf. Heizungsbauer der anhand des Augenscheins sowie persönlichem Erinnern abschätzen kan wie viel Kilowattstunden (kwh) Wärmeleistung die beiden thermischen mit Öl befeuerten Heizkessel des Anwesens wohl haben?
Vielen Dank für jede Antwort!
Daniel
16. August 2022 um 09:20Grüß dich Hans!
Das ist ja irre – Die Bilder aus dem verlinkten Beitrag sehen schon fast nach einem völlig anderen Gebäude aus. Es ist immer wieder schlimm zu sehen, wie mit solchen Gebäuden umgegangen wird.
Hans
17. August 2022 um 06:00Hallo Daniel!
Zunächst vielen Dank für Deine Mühe diese interessante Internetpräsenz zu betreiben.
Ich denke das Anwesen war bereits um 2016 zum Abriß vorgesehen.
Zudem gab und gibt es nach dem Tode der Frau des ersten Bewohners 1999 keine wirtschaftlich sinnvolle Verwendungsmöglichkeit mehr für das Gebäude.
Vergleichbar der bereits abgerissenen Villa von Berthold Beitz wird die Eigentümerin Thyssen AG bzw. ThyssenKrupp AG den Nachfahren dessen Dienstvilla zum Erwerb angeboten haben. Dieses Anwesen hat sicher niemals der Familie von Hans-Günter Sohl gehört sondern dessen Dienstherrn.
Bedenke zudem den enormen wirtschaftlichen Aufwand die veraltete Heizungsanlage, Wasserversorgungssystem sowie elektrische Anlage aus dem Erbauungsjahr 1962 zu sanierren wollte man das Anwesen einer zeitgemäßen Nutzung zuführen.
Freundliche Grüße von
Hans
Hans
17. August 2022 um 06:36Im Internet finden sich interessante Dokumentationen über den Wirkungskreis der ehemaligen Thyssen AG als Hans-Günther Sohl deren Vorstandsvorsitzender war:
https://www.youtube.com/watch?v=3JCgPO1qGj4
https://www.youtube.com/watch?v=y1PoG7cyv30
https://www.youtube.com/watch?v=zmT4DKk3ksU
Damals war die Thyssen AG das zweitgrößte Industrieunternehmen von Deutschland.
Heute ist es so daß der reine Grundstückswert nach 60 Jahren durch das Geldsystem mit Teuerung den historischen Anschaffungswert des großen Gebäudes bei weitem übertrifft. Insofern ist es nur sinnvoll das wertvolle Anwesen in bester Wohnlage einer zeitgemäßen (Wohn-)Nutzung zuzuführen.
Wer an noch größerer Verschwendung von Ressourcen teilhaben will der suche nach dem inzwischen abgerissenen Hotel Seeperle in Rottach-Egern im Internet erbaut 1991 vom früheren Teppichhändler Mohammad Abousaidy.
Hans
17. August 2022 um 06:45Witzig auch daß die Gegend um Gartenkamp 12 bereits vor 60 Jahren Landschaftsschutzgebiet war:
https://www.tomvandutch.de/villa-sohl#&gid=1807575016&pid=29
Hans
17. August 2022 um 07:52Eine heute noch sinnvolle wirtschaftliche Verwertungsmöglichkeit des Anwesens wäre es das Gebäude kernzusanieren und dabei aufzuteilen in einzelne Eigentumswohnungen jeweils zum separaten Verkauf. Insofern wären auch die aktuellen Vandalismusschäden an dem Gebäude kein Problem da dieses komplett entkernt und von der Innenraumaufteilung völlig neu aufgebaut wird. Dies ist empfehlenswert bei Bestandsgebäuden im Außenbereich nach § 35 BauGB wo nach dem Abriß nicht wieder neu gebaut werden darf. Mich wundert hier daß in oder nahe einem Landschaftsschutzgebiet eine Neubebauung zulässig sein soll. Vergleichbares wird in Frankreich durchgeführt bei Schlössern um diesen einer zeitgemäßen Nutzung zuzuführen. Der wirtschaftliche Vorteil liegt darin daß man ein derartiges Anwesen um den Preis des Grund und Bodens erwirbt weil das Gebäude mit dem (Negativ-)Wert der Abrißkosten bewertet wird, eine fertiggestellte Eigentumswohnung in einem solchen Anwesen den Wert von Neubau-Eigentumswohnungen in der jeweiligen Umgebung besitzt.
Hans
19. August 2022 um 06:54Hans-Günter Sohl erhielt im Jahr 1986 Altersbezüge in Höhe von rund 800000 Mark jährlich:
https://www.spiegel.de/wirtschaft/freude-im-klub-der-einkommensmillionaere-a-f0df9b3c-0002-0001-0000-000013523756
Sein Nachfolger Dieter Spethmann bewohnte die Dienstvilla im Kaiser-Friedrich-Ring 72 in Düsseldorf-Oberkassel.
Dort besaß lebenslanges Wohnrecht bis zu derem Tod im Jahr 2021 dessen Witwe Elisabeth Birte Spethmann mit Unterhalt des Anwesens durch den früheren Arbeitgeber Thyssen AG bzw. thyssenkrupp AG.
https://trauer.rp-online.de/traueranzeige/elisabeth-birte-spethmann
Hans
19. August 2022 um 08:30Warum also lebte Hans-Günter Sohl um den Zeitpunkt seines Todes 1989 mit einem damals bereits angejahrten 60er Jahre Badezimmer aus dem Erbauungsjahr anstatt dieses modern und barrierefrei zu gestalten?
Weil ihm das Anwesen gar nicht gehörte sondern seinem früheren Arbeitgeber und er sowie seine Frau anscheinend zu geizig waren von ihren Ruhestandsbezügen Modernisierungen an dem Anwesen zu finanzieren.
Sein Amtsnachfolger Dieter Spethmann jedenfalls hat wie man dem obenstehenden Artikel entnehmen kann sämtliche Renovationen im Kaiser-Friedrich-Ring 72 von seinem Arbeitgeber thyssen AG finanzieren lassen:
»Diese Bude (sic!) zu bewohnen hat mir ein freundliches Schicksal gestattet.«
https://www.spiegel.de/wirtschaft/bis-zum-jahr-2001-a-6812edac-0002-0001-0000-000013494634
Siehe auch das Schreiben von Hans-Günther Sohl deshalb:
https://magazin.spiegel.de/EpubDelivery/spiegel/pdf/13494644
Hans
27. August 2022 um 07:48Von Dieter Spethmann sowie seiner jüngeren Gattin Elisabeth Birte Spethmann (geb. Meyer) existiert ein bekanntes Gemälde aus 1986 von Andy Warhol:
https://www.artnet.de/WebServices/images/ll00252lldxnYGFgUNECfDrCWvaHBOcOoZC/andy-warhol-portraits-of-elisabeth-and-dieter-spethmann-(4-works).jpg
Damals war Dieter Spethmann 60 Jahre alt und seine Frau 44 Jahre.
Hans
27. August 2022 um 08:30Vergleichbar hatte Hans-Günther Sohl mit “Annelis” Anneliese Freifrau von Wrede eine jüngere Gattin und in dieser Form sowie mit dem von seinem Arbeitgeber Thyssen AG unterhaltenem Anwesen Im Gartenkamp 12 mit den zwei Schwimmbassins ein – wir wünschen es den Beiden – unterhaltsames Eheleben (ich schreibe nur was wir alle denken). Zudem bewohnten Beide das Ferienhaus “Casa do Morro” in Albufeira / Portugal wo ich bisher nicht habe feststellen können ob ihm selbst das Anwesen gehört hat oder – wie ich eher denke – seinem Arbeitgeber der dann auch für den Unterhalt sowie das Hauspersonal gesorgt hat. In seiner Autobiographie “Notizen” schildert er den Erwerb und Neubau der Anwesen quasi als Eigentümer was bei dem Haus in Düsseldorf zumindest nicht stimmt. Dies alles fand statt in einem Umfeld wo sich die Löhne in 30 Jahren in Geldeinheiten (DM) von 1950 bis 1980 um den Faktor 10 vervielfacht haben – schauen wir heute einmal zum Vergleich zurück ins Jahr 1992.
Siehe den verlinkten Unternehmensfilm “Walzdraht vom Niederrhein”: In über 100 Jahren im wechselhaften Geschehen – Rüstungshersteller – gewachsen ….