Prora ist ein Ortsteil der Gemeinde Binz auf Rügen. Er liegt direkt an der Ostseeküste im Zentrum der Prorer Wiek und ging aus dem zwischen 1936 und 1939 errichteten KdF-Seebad Rügen hervor. In diesem riesigen Gebäudekomplex sollten durch die Organisation Kraft durch Freude 20.000 Menschen gleichzeitig Urlaub machen können.
Koloss von Prora
Der Beginn des Zweiten Weltkrieges verhinderte 1939 die Fertigstellung als Seebad. Statt Erholungsort wurde Prora zu einer Keimzelle der Nationalen Volksarmee (NVA) und ein herausragender Ort des Kalten Kriegs. Der Name leitet sich von der Prora, einer bewaldeten Hügelkette im südlichen Teil der Schmalen Heide ab.
Der Koloss von Prora ist der Kern des Komplexes und bestand aus acht aneinandergereihten baugleichen Blöcken. Auf einer Gesamtlänge von 4,5 Kilometern steht dieser Komplex teilweise noch heute entland der Prorer Wiek.
Drei Blöcke wurden zwischen 1945 und 1949 bis auf wenige Segmente zerstört. Es verblieben fünf Blöcke auf einer Länge von etwa 2,5 Kilometern, welche um 1950 unter den Vorzeichen des Kalten Krieges zur monumentalsten Kasernenanlage der DDR ausgebaut wurden. Das Gelände wurde daraufhin über vier Jahrzehnte hinweg militärisch genutzt und Prora damit zum Sperrgebiet.
Nach 1990 wickelte die Bundeswehr den Militärstandort ab. Kurz darauf gingen die Gebäude in eine zivile Nutzung über, die aber schnell wieder aufgegeben wurde. Danach verfielen große Teile der ehemaligen Kasernen. Seit 2004 werden die Blöcke einzeln verkauft und Stück für Stück zu Wohn- und Hotelanlagen umgestaltet.
Im Jahr 2013 wurde westlich des Seebad-Komplexes am historischen Forsthaus Prora das Naturerbe-Zentrum Rügen mit Aussichtsturm eröffnet. Der wachsende Urlaubsort erhielt am 17. August 2018 offiziell das Prädikat als staatlich anerkannter Erholungsort und strebt die Ernennung zum Ostseebad an.
Die Geschichte des Kolosses von Prora
Bereits 1935 erwarb die KdF-Organisation die für das Seebad Rügen benötigten Flächen von Malte zu Putbus. Die Grundsteinlegung erfolgte am 2. Mai 1936, obwohl zu diesem Zeitpunkt die Ausschreibung für das Bauvorhaben noch lief. Der Termin war bewusst so früh gewählt, da es sich hierbei um den dritten Jahrestag der Gewerkschaftszerschlagung handelte. Die eigentlichen Arbeiten begannen dann erst ein halbes Jahr später.
In den Jahren zwischen 1936 und 1939 wurden die acht riesigen Gästeblöcke errichtet. Neun große Baufirmen, unter anderem Hochtief, Siemens-Bauunion und Boswau & Knauer waren an den Bauarbeiten beteiligt. Zeitweise arbeiteten somit über 9.000 Bauarbeiter an dem KdF-Seebad Rügen.
Die Bauarbeiten fanden sogar internationale Beachtung. Bei der Weltausstellung 1937 in Paris wurde ein Modell des Seebades Prora mit einem Grand Prix ausgezeichnet.
Nachdem an den Rohbauten noch die nötigsten Sicherungsarbeiten durchgeführt worden waren, wurden die Bautätigkeiten endgültig eingestellt. Das angelieferte Baumaterial ließ man allerdings vor Ort, was darauf hindeutet, dass die Arbeiten nach Kriegsende wieder aufgenommen werden sollten.
Zu Kriegsbeginn im Jahr 1939 wurden die Bauarbeiten weitestgehend gestoppt. Mit Ausnahme eines Blocks waren die acht Wohnblöcke, die südliche Festplatzrandbebauung und die Kaianlage bereits im Rohbau fertiggestellt, nicht jedoch die Schwimmbäder, die Festhalle und weite Teile der Wirtschaftsgebäude. Sie wurden niemals fertiggestellt.
Während des Krieges diente ein Teil der späteren Wohnhäuser der Anlage als Ausbildungsstätte für Luftwaffenhelferinnen und ein Polizeibataillon. Die Rohbau-Blöcke des Koloss von Prora blieben weiterhin unbewohnbar. 1943 wurden Teile des südlichen Blocks ausgebaut, um Ersatzquartiere für ausgebombte Hamburger zu schaffen.
Ab 1944 unterhielt die Wehrmacht in Prora ein kleines Lazarett. Gegen Ende des Krieges fanden auch Flüchtlinge in Prora eine Unterkunft und das meistens in den späteren Wohnhäusern.
Als ab Mai 1945 die Sowjetunion die Kontrolle auf Rügen übernahm, wurde die Anlage zunächst zur Internierung von Großgrundbesitzern und weiterhin zur Unterbringung von Flüchtlingen aus den Ostgebieten genutzt.
Teile der Anlagen wurden für den Abtransport als Kriegsreparationen demontiert. Zwischen 1948 und 1953 wurde das Gelände von der Roten Armee genutzt, die den südlichsten Rohbau sprengte und abtrug. An den beiden nördlichsten Häuserblocks wurden ebenfalls massive Sprengungen durchgeführt. Vom vorletzten Block blieb ein Segment, vom letzten Block blieb etwa die Hälfte stark beschädigt stehen. Dieser zeigt zum Teil noch heute den Zustand der Rohbauten vor ihrer Komplettierung zur Kaserne um 1950. Die sowjetische 13. Panzerjäger-Brigade war dort stationiert.
Zur Zeit des kalten Krieges wurden fünf Blöcke der demontierten und geplünderten Rohbauten zu einer Großkaserne für das DDR-Militär wieder aufgemauert. Diese zweite Bauphase prägte das Antlitz der Großbauten bis zum Jahr 2010, als mit dem Bau einer Jugendherberge damit begonnen wurde, das Seebad zu vollenden.
Seit 2004 wurden weitere Blöcke der Anlage einzeln verkauft. So wurde zum Beispiel am 23. September 2004 Block VI für 625.000 Euro an einen unbekannten Käufer veräußert. Block III, die ehemalige Museumsmeile, wurde am 23. Februar 2005 an die Inselbogen GmbH verkauft, die in der Folgezeit den Betreibern der dort ansässigen Museen kündigte und eine Nutzung als Hotel- und Kulturbetrieb ankündigte.
Die Pläne der neuen Eigentümer sahen in den beiden Blöcken südlich der jetzigen Museumsmeile vor allem Wohnungen vor. Für das Erdgeschoss war eine Mischung aus Kultur, Kunst, Gastronomie, Kleingewerbe und Einkaufsmöglichkeiten geplant.
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