Das Gasthaus Lichtensruh liegt direkt an der Weser und war einst ein bekanntes Ausflugsziel mit einer wahnsinnig tollen Aussicht. Heute ist er in Vergessenheit geraten. Für die einen ist es ein faszinierender Lost Place, für die anderen eine illegale Müllkippe.
Das Gasthaus Lichtensruh
Das Thermometer meines Autos zeigt 31,7 Grad Außentemperatur an und hinter der nächsten Kurve erwartet mich eine Vollsperrung. Die Straße, die mich zum Gasthaus Lichtensruh bringen soll, wird gerade saniert. Nach dem Blick auf die Temperaturanzeige habe ich eigentlich gar keine Lust mehr, das gekühlte Innere meines Autos zu verlassen. Von hier aus muss ich wohl zu Fuß weiter.
Der alte Gasthof ist noch knapp drei Kilometer weit entfernt. Ich packe meinen Rucksack, schultere mein Stativ und laufe los. Die Landstraße bietet nur wenig Schatten und der frische Asphalt reflektiert die Sommerhitze. Der Weg zieht sich und ich bin mir nicht sicher, was mich an meinem Ziel erwarten wird. Immerhin ist die Aussicht schön. Rechts von mir liegt das Weserufer und außer dem Fluss und ein paar Campern ist hier weit und breit nichts zu sehen. Es ist wunderbar still. Das einzige, was ich hören kann, sind die Vögel, die sich in den Bäumen vor der Sonne schützen.
Irgendwann ist es soweit und das verlassene Gasthaus taucht vor mir auf. Die Fassade ist grau und unscheinbar. Man nimmt das Gebäude zwischen den mittlerweile sehr dichten Bäumen und Büschen kaum wahr. Was mich hier wohl erwartet? Hinter den Mauern kann sich alles, oder nichts befinden. Der erste Blick an der rechten Gebäudeseite entlang ist dann aber schon vielversprechend. Zwar haben auch hier Menschen wieder illegal ihren Müll entsorgt, aber trotzdem scheint das Gebäude noch ein paar Geschichten erzählen zu können.
Über eine vergilbte Matratze, die auf der Treppe ins Erdgeschoss liegt, steige ich vorsichtig in die ersten Räume hinauf. Schnell wird mir klar, dass ich hier sehr vorsichtig sein muss. Die Decken hängen durch, sind teilweise sogar schon eingestürzt. An vielen Stellen ist der Putz abgebröckelt und die tragenden Holzbalken damit freigelegt. Die Zwischenräume sind mit Stroh und Lehm gefüllt. Sie haben nun schon so viele Jahre überdauert. Im Treppenhaus befindet sich eine schöne Holztreppe. Das Sonnenlicht scheint hindurch und liefert ein tolles Fotomotiv. Zu betreten ist sie allerdings nicht mehr. Die dünnen Holzstufen sind morsch und zum Teil schon durchgebrochen.
Ich bewege mich langsam und vorsichtig weiter durch den alten Gasthof. Nun stehe ich im Durchgang zu der alten Veranda. Hier haben die Menschen also früher gesessen, Kaffee getrunken und dabei die Aussicht auf die Weser genossen. Heute sind die Holzdielen durchgefault und das Inventar wurde verwüstet.
In einem anderen Teil des alten Gemäuers ist es sehr düster. Nur wenig Tageslicht gelangt hier hinein, so dass ich mich erstmal mit einer Taschenlampe umschauen muss, bevor ich hier in Ruhe fotografieren kann. Ich möchte schließlich nicht versehentlich in irgendwelche Löcher treten. Vor mir liegt ein großer hölzerner Tresen. Jemand muss ihn auf die Seite geschmissen haben. Ich könnte mir vorstellen, dass hier einmal eine gemütliche kleine Kneipe gewesen ist.
Es hat zwar nun schon einige Tage nicht mehr geregnet und trotzdem tropft Wasser durch einige Stellen der kaputten Decke. Hin und wieder ist ein Knistern zu hören. Ich hoffe, dass die Decke dort bleibt, wo sie ist. So richtig wohl fühle ich mich hier nicht, aber ein paar Motive möchte ich noch einfangen.
Der Fußmarsch hat sich wirklich gelohnt. Im hinteren Teil entdecke ich noch einen Bereich, in dem sich bestimmt einmal das Lager befunden haben muss. Hier liegen die Rahmen der riesigen Panoramafenster herum, die früher auf der Veranda eingebaut waren. Nachdem ich mir nun im Inneren alles angeschaut habe, laufe ich noch einmal, soweit es das Gestrüpp zulässt, um das verlassene Gebäude herum und mache mich anschließend auf den Rückweg. Unterwegs frage ich mich, wie lange dieser verlassene Ort wohl noch existieren wird. Es scheint sich niemand mehr darum zu kümmern und die Substanz wird immer schlechter. Vermutlich wird es eines Tages einfach in sich zusammenfallen.
Die Geschichte des Gasthauses Lichtensruh
Schon um 1900 herum war das Gasthaus Lichtensruh ein bekanntes Ausflugsziel für Wanderungen, Kutschfahrten, sowie für rauschende Feste. Das Gasthaus wurde zu dieser Zeit von Heinrich Lichte betrieben. Daher hat das Gasthaus auch seinen Namen.
Der Gasthof überstand den zweiten Weltkrieg unbeschadet und wurde danach noch einmal erweitert. An der zur Weser gelegenen Seite wurde eine große Veranda mit riesigen Glasfronten angebaut. Die Gaststätte zog so immer mehr Ausflügler und Wanderer an und machte sich einen Namen weit über die Region hinaus.
Diese Postkarte zeigt den Gasthof zu dieser Zeit. Zu erkennen ist das Wesertal und das Gast- und Pensionshaus Lichtensruh mit der großen Veranda, die einen fantastischen Blick auf die Weser ermöglicht haben muss.
Das Gasthaus blieb lange in Familienhand und ein begehrtes Ausflugsziel. In einem Artikel wird berichtet, dass sich die Menschen zu dieser Zeit erzählten, dass das Haus eine unsichtbare Macht umgeben habe, die die Pferdekutschen von allein vor dem Eingang anhalten ließen.
In den 1980er Jahren wurde das Haus dann umgenutzt. Ab sofort fand sich hier Rosis Nachtbar, in der nun auf einmal ganz andere Bedürfnisse erfüllt wurden. Rosis Nachtbar wurde einige Jahre darauf geschlossen und ab diesem Zeitpunkt begann der Verfall.
Der Gasthof ist in Vergessenheit geraten und die Natur erobert sich das Gelände Stück für Stück zurück. Zwischen dichten Büschen und Bäumen ist das Gebäude im Vorbeifahren kaum noch wahrzunehmen. Es scheint, als würde sich niemand mehr für das Gasthaus Lichtensruh interessieren.
Komm mit auf Entdeckungsreise durch das Gasthaus Lichtensruh.
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