Die alte Ziegeleiruine versteckt sich in einem kleinen Wäldchen an einer abgelegenen Landstraße. Sie ist vor vielen Jahren in Vergessenheit geraten. Man muss sich durch hohe Gräser schlagen um den roten Klinkerbau entdecken zu können.
Die alte Ziegeleiruine
Früh am morgen, lange vor Sonnenaufgang beginnt die heutige Tour im dichten Nebel. Es hat die ganze Nacht gewittert und so langsam verdunstet die Feuchtigkeit auf den Straßen. Als sich die Morgensonne irgendwann über den Horizont schiebt, ergeben sich wundervolle Lichter und Farben. Wie schön es wäre, hier auf der Autobahn einfach anhalten zu können und ein paar Fotos zu machen. Natürlich bleibt es allein bei diesem Gedankenspiel.
Vor Ort angekommen ist es bereits hell. Die Sonne strahlt vom Himmel, die Luft ist immer noch sehr drückend. Dass ich nun durch brusthohes Gras stapfen muss, macht es nicht besser. Hier steht die Luft und dazu kommen tausende Insekten, die sich über meinen Besuch zu freuen scheinen. Auf jeden Fall weichen sie nicht mehr von meiner Seite. Ich bin froh, dass ich eine lange Hose und einen Pullover angezogen habe. Eigentlich ist die Kleidung jetzt schon viel zu warm, aber sie hält die juckenden Gräser von meiner Haut fern.
Ich schlage mich tiefer in das kleine Wäldchen hinein und stehe vor einer großen Ruine. Sie ist ungefähr so hoch, wie ein vierstöckiges Wohnhaus, aber lange nicht mehr so stabil. Der rote Klinker liegt idyllisch zwischen hohen Gräsern und scheint hier vor langer Zeit vergessen worden zu sein.
Durch eine große Öffnung gelange ich ins Innere der alten Ziegelei. Da überall große Löcher in den Außenwänden sind, kann man schon fast gar nicht mehr von einem Inneren sprechen. Auf dem Boden verteilt liegen alte Autoreifen, auf einem Mauervorsprung stehen leere Schnapsfläschchen. Hier werden sich wohl hin und wieder Jugendlich zurückziehen und ein bisschen feiern. Ungestört ist man hier auf jeden Fall, denn die nächsten Häuser sind weit entfernt.
Von allen Seiten dringt das Sonnenlicht herein und sorgt damit für tolle Farb- und Schattenspiele. Im oberen Teil der alten Ziegelei ist eine Art zweite Ebene eingezogen. Früher muss diese einmal über eine Holztreppe erreichbar gewesen sein. Von dieser sind allerdings nur noch ein Stück Geländer und acht Stufen übrig. Sie zu erreichen ist ohne eine große Leiter unmöglich und auf dem übrigen Boden herumzulaufen wahrscheinlich lebensgefährlich.
Ich frage mich, wo die anderen Gebäudeteile gestanden haben. Ich habe das Gelände bereits mit meiner Drohne überflogen. Aus der Luft kann man erkennen, dass das Gebäude nicht das einzige gewesen sein kann. Dafür ist das Grundstück viel zu groß. Direkt neben dem Gebäude, in dem ich mich gerade befinde, steht ein großer Schornstein. Er wirkt etwas schief, aber trotzdem noch relativ stabil. Irgendwo hier muss sich dann ein Ofen befunden haben.
Auch wenn dieser verlassene Orte nicht groß ist, übt er doch eine ganz eigene Anziehungskraft auf mich aus. Ich mache noch ein paar weitere Bilder und kämpfe mich dann durch das Dickicht zurück.
Die Geschichte der Ziegeleiruine
Der Ziegeleiruine sieht man an, dass sie ihre besten Tagen bereits hinter sich hat. Bausubstanz ist schlecht, der große Schornstein steht leicht schief. Schon im Jahr 1868 existierten hier zwei Ziegeleien. Von der ersten stehen heute noch noch das Maschinenhaus mit seinem hohen Schornstein. Dieser ragt weit aus dem kleinen Wäldchen empor. Der Ringofen, sowie die offenen Trocknungshallen wurden vor Jahren bereits abgerissen.
Von der zweiten Ziegelei konnte das Wohnhaus für Lippische Wanderziegler erhalten werden. Lippische Wanderziegler waren Menschen, die seit dem 17. bis in das 20. Jahrhundert hinein aus Not ihre Heimat verließen, um in Ziegeleien in Nordwestdeutschland, den Niederlanden oder in Dänemark zu arbeiten.
Die Wanderarbeit war im ärmlichen Fürstentum Lippe schon im 17. Jahrhundert sehr weit verbreitet. Die Wanderarbeiter begaben sich im Sommer zum Beispiel nach Friesland und Holland, um sich als Grasmäher und Torfstecher ihren Lohn zu verdienen. Zum Ende des 17. Jahrhunderts spezialisierten sich dann immer mehr der Saisonarbeiter auf die Arbeiten in Ziegeleien.
1865 gab es in dieser Region bereits mehr als 10.000 Ziegler. Somit schuftete die große Mehrheit der arbeitenden männlichen Bevölkerung des Fürstentums Lippe von April bis November in verschiedenen Ziegeleien.
Im Hof des Wohnhauses befindet sich noch ein alter Brunnen. Aufgrund der Ehe zwischen den Kindern der beiden Inhaber wurden die beiden Betriebe irgendwann zusammengeführt und die vordere Ziegelei ausgebaut. Nach einer Zwangspause während des zweiten Weltkriegs von
1940 bis 1947 kam es zu einem neuen Aufschwung. Zu dieser Zeit bot die Ziegelei hier 20 Arbeitsplätze an. 1967 musste der Betrieb dann allerdings endgültig stillgelegt werden.
Die große Tonkuhle, die von beiden Ziegeleien genutzt wurde, ist heute ein Biotop und wird nur noch von Sportfischern genutzt. Lokal ist sie nun als Plötzensee bekannt.
Komm mit auf Entdeckungsreise durch die alte Ziegeleiruine.
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